Herr Staatsminister, das Bayerische Wirtschaftsministerium ist Herausgeber des dritten Bayerischen Kultur- und Kreativwirtschaftsberichts. Was verbinden Sie mit der Branche?
Die Kultur- und Kreativwirtschaft ist ein bedeutender und sehr vielfältiger Wirtschaftsbereich, der von der Musikwirtschaft, über den Buch- und Kunstmarkt und die Architektur bis hin zur Werbung, Games-Industrie und Designwirtschaft reicht. Hier werden also ganz unterschiedliche kreative Tätigkeitsbereiche zusammengefasst. Während einige, wie die gerade erwähnte Musikwirtschaft oder der Kunstmarkt, vor allem eigenständige Teile des wachsenden Dienstleistungssektors sind und in einer direkten Geschäftsbeziehung mit den Bürgern bzw. Konsumenten stehen, wirken andere vornehmlich als enge und unverzichtbare Partner der Industrie. Denken Sie nur an das Design, das Produkte nicht nur ästhetisch und als Marke unverwechselbar macht, sondern durch die Gestaltung und die Materialwahl auch für optimale Funktionalität, für Recyclingfähigkeit etc. sorgt. Oder denken Sie an Simulationssysteme aus dem Games-Bereich, die in der Automobilbranche bei der Entwicklung und Erprobung neuer Fahrfunktionen zum Einsatz kommen. Auch der Massenerfolg des Computers stellte sich erst mit der Verfügbarkeit einer grafischen Benutzeroberfläche ein. Mit einem Mal ließ sich der Computer intuitiv und ohne besondere technische Kenntnisse nutzen. Allen Bereichen der Kultur- und Kreativwirtschaft gemeinsam ist aber, dass sie eine bedeutende Rolle als Wirtschaftsfaktor und als Teil einer lebendigen Gesellschaft spielen. Sie sind nicht nur Träger von wirtschaftlicher Wertschöpfung und Beschäftigung, sondern auch kreative Treiber von Innovation. Und sie wirken stark in die Gesellschaft hinein und schaffen lokale Bezugs- und Identifikationspunkte für die örtliche Bevölkerung. Wie gut das gelingt, zeigt der nun bereits zum zweiten Mal ausgelobte Staatspreis für Bayerische Kreativorte des Bayerischen Wirtschaftsministeriums. Darüber freue ich mich sehr.
Am Tag der geplanten Veröffentlichung des zweiten Bayerischen KKW-Berichts im März 2020 sind Sie kurzfristig zu einem Corona-Krisentreffen einbestellt worden. Was folgte, war eine weitreichende Stilllegung des kultur- und kreativwirtschaftlichen Betriebs. Wie zufrieden sind Sie mit der wirtschaftlichen Krisenabwehr Ihres Hauses?
Ich bin froh, dass wir Bayern vergleichsweise gut durch die Pandemie gebracht haben. Bayerns Wirtschaft hat zwar gelitten, größere Verwerfungen konnten aber, von schmerzlichen Ausnahmen im Einzelfall abgesehen, vermieden werden. Die aktuellen Zahlen zeigen dies, einschließlich der deutlichen Unterschiede zwischen den einzelnen Teilmärkten. So sind Software und Games durch die Pandemie sogar noch weiter gestärkt worden. Andererseits gab es Teilmärkte, die besonders hart getroffen wurden. Und zwar dort, wo die Eindämmungsmaßnahmen eine faktische Stilllegung der Geschäfte bedeuteten – wie zum Beispiel bei Kinobetreibern, den Konzertveranstaltern oder Theatermachern. Die Corona-Hilfsprogramme haben allerdings dazu beigetragen, die finanziellen Verluste abzufedern und die Branche weitgehend zu stabilisieren. Unabhängig davon leistet unsere reguläre und dauerhafte Förderung der Kultur- und Kreativwirtschaft einen wertvollen Beitrag dazu, Aktivitäten in diesem Bereich im Freistaat auch strukturell zu stärken und weiterzuentwickeln. Das von meinem Haus finanzierte Bayerische Zentrum für Kultur- und Kreativwirtschaft (BZKK) in Trägerschaft der Bayern Innovativ hat hier als Informationsknotenpunkt und zentrale Anlaufstelle für die Kultur- und Kreativschaffenden im Freistaat eine wichtige Funktion.
Auf europäischer Ebene sind zuletzt eine Reihe von Entscheidungen getroffen und Maßnahmen umgesetzt worden, die dazu angelegt sind, die europäische Kultur- und Kreativwirtschaft zu stärken. Dazu zählt auch die Anerkennung der Branche als strategisch relevantes Ökosystem im Rahmen der Europäischen Industriestrategie. Wie ordnen Sie diese Entwicklungen ein?
In der Tat ist auf europäischer Ebene einiges in Bewegung gekommen. Die von Ihnen erwähnte Würdigung der industriestrategischen Relevanz dieser Branche ist dabei ein wichtiger Schritt. Auch der Maßnahmenplan zur Weiterqualifizierung der Akteurinnen und Akteure, der sogenannte Pact for Skills, ist sehr bedeutsam. Schließlich wurde von der EU auch eine eigene „Wissens- und Innovationsgemeinschaft“ für die Branche gestartet. Diese hat zum Ziel, die Beziehungen zwischen Bildung, Forschung und Wirtschaft zu stärken. Zum Ausdruck kommt hier ein gereiftes Bewusstsein für das Innovationspotenzial der Kultur- und Kreativwirtschaft, auf das wir im globalen Ideenwettbewerb und bei der Sicherung unseres Wohlstands innerhalb der EU nicht verzichten können.
Was bedeutet das für Bayern?
Bayern ist ein kreatives Kraftzentrum und wir arbeiten daran, die Branche weiter zu stärken und nach außen zu öffnen. Der Freistaat steht für Spitzentechnologie und Spitzenkreativität. Kommt beides zusammen, entstehen hochinnovative Lösungen und neue Geschäftsfelder. Offenheit gegenüber neuen Technologien, insbesondere den Digitaltechnologien, spielt dabei eine wichtige Rolle. Nicht unerwähnt bleiben soll, dass der gesetzliche Rahmen für deren Anwendung, wie etwa im Bereich Künstliche Intelligenz, sauber geregelt werden muss, um einen fairen Wettbewerb zu gewährleisten und menschlich-kreative Leistungen angemessen zu vergüten.
Welche neuen Ansätze für eine produktive Verschränkung von Kultur und Technik sehen Sie?
Was ich eingangs zum produktiven Zusammenwirken von Industrie und Design bzw. anderen Teilen der Kultur- und Kreativwirtschaft gesagt habe, lässt sich potenziell auch in ganz anderen Feldern anwenden. Dafür sind wir offen und haben in unserer Ressortzuständigkeit sowohl die Kultur- und Kreativwirtschaft als auch die Wirtschaft allgemein sowie die Technologie und die Energie fest im Blick. Im Bereich der Energiepolitik haben wir versuchsweise einen solchen neuen Ansatz auch konkret aufgegriffen. Entsprechend der von der Europäischen Kommission aufgelegten sogenannten „New European Bauhaus Initiative (NEB)“, bei der es um das Potenzial dieser Verschränkung der verschiedenen Bereiche zur Erarbeitung innovativer Lösungen im Bereich Nachhaltigkeit geht, haben wir ein sogenanntes NEB Living Lab zu erneuerbaren Energien durchgeführt. Das Projekt ging der Frage nach, wie sich durch neue Ansätze der ästhetischen Gestaltung und der gesellschaftlichen Diskussion vor Ort die Akzeptanz für erneuerbare Energien in Bayern steigern lässt. Das Labor hat Experten aus unterschiedlichen Sektoren mit ihren technischen und künstlerisch-kreativen Kompetenzen und Perspektiven miteinander verknüpft. Herausgekommen ist ein interessantes Konzept, das einen positiven Beitrag zur Bewältigung der Energiewende leisten kann – und das zeigt: Auch in solchen Herausforderungen kann die Kultur- und Kreativwirtschaft ihr Potenzial als Motor des Wandels einbringen.
Vielen Dank für das Gespräch.