Tabelle 8: Tatsächliche Corona-Effekte in der Kultur- und Kreativwirtschaft 2019 – 20211

Im Folgenden soll auf zwei Aspekte hinge­wiesen werden. Die Umsatzdaten basieren auf den vom Bayerischen Landesamt für Statistik veröffentlichten tatsächlichen Werten und stellen somit keine Schätzwerte mehr dar. Des Weiteren ist zu beachten, dass es sich grundsätzlich um nominale und nicht um reale Umsatzwerte handelt. Da jedoch in den letzten Jahren die Inflation zeitweise stark angestiegen ist, wird an dieser Stelle neben der nominalen auch die reale Umsatz­entwicklung der KKW angegeben.

In einem Vergleich mit der Gesamtwirtschaft in Bayern werden die tatsächlichen Auswir­kungen der Coronapandemie auf die KKW deutlich. Im Jahr 2019 betrug der Umsatz in der KKW 39,7 Milliarden Euro, und er sank im Krisenjahr 2020 auf 38,3 Milliarden Euro. Dies entsprach einem prozentualen Rück­gang von 3,5 Prozent im Vergleich zum Vor­jahr. Im gleichen Zeitraum lag der Rückgang in der bayerischen Gesamtwirtschaft bei 3,9 Prozent. Somit war der Umsatzrückgang in der KKW im Vergleich zur Gesamtwirtschaft weniger stark ausgeprägt als zunächst an­genommen. Es zeigt sich zudem, dass die Auswirkungen der Coronakrise auf die KKW insgesamt sogar etwas geringer waren als auf die gesamte bayerische Wirtschaft. Die Daten für das Jahr 2021 zeigen eine rasche wirtschaftliche Erholung. Die KKW verzeichnete einen Umsatzanstieg von 8,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr 2020. Die KKW hat somit das Krisenjahr 2020 bereits überwunden und erzielte mit einem Umsatz von 41,5 Milliarden Euro sogar einen höheren Wert als im Jahr 2019. Allerdings erreichte die bayerische Gesamtwirtschaft ein nahezu doppelt so hohes Wachstum von 16,1 Prozent.

Infolge der Coronakrise ist auch die Inflation signifikant angestiegen, sodass an dieser Stelle auch die reale Umsatzentwicklung in der KKW dargestellt werden soll. Denn der Umsatzanstieg wird aktuell nicht nur durch die Wertschöpfung, sondern auch durch die Preisentwicklung beeinflusst. Der preisbe­reinigte Umsatz der KKW stieg im Jahr 2021 gegenüber dem Vorjahr um 5,3 Prozent. Somit zeigt auch die reale Umsatzentwick­lung an, dass die KKW eine beachtliche Leistungssteigerung nach dem Coronajahr 2020 erbringen konnte.

Auch wenn die wirtschaftliche Leistungs­fähigkeit der KKW, gemessen am Umsatz, bereits deutlich verbessert wurde, so sind die durch die Coronakrise verlorenen Akteu­rinnen und Akteure noch nicht vollständig zurückgekehrt. Von den 47.700 Selbststän­digen und Unternehmen im Jahr 2019 waren bis zum Jahr 2021 nur 41.300 im Markt ver­blieben. Insbesondere viele kleine Soloselbst­ständige mussten während der Coronakri­se den Markt verlassen. Ob sie zukünftig zurückkehren werden, bleibt abzuwarten und wird sich möglicherweise erst bei den Daten des Jahres 2022 zeigen.

Tabelle 9: Gewinner und Verlierer der Coronakrise, Umsatz in Millionen Euro2

Einzelne Wirtschaftszweige der KKW konnten in der Krise gewinnen

Die überraschend geringen wirtschaftlichen Einbrüche und die schnelle Erholung der KKW lassen sich vermutlich auf die Viel­falt der verschiedenen Wirtschaftszweige zurückführen. Wie aus Tabelle 9 hervorgeht, gehörten einige dieser Wirtschaftszweige bereits im Krisenjahr 2020 zu den „Gewin­nern“. Sechs der insgesamt 63 Wirtschafts­zweige der KKW generierten im Jahr 2020 mit 16,8 Milliarden Euro 44 Prozent des gesamten Branchenumsatzes. Sie steigerten diesen im Jahr 2020 um 10,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Dabei wiesen ins­besondere die Werbeflächenvermarktung und die Sonstige Softwareentwicklung mit Zuwachsraten von 41,9 Prozent bzw. 11,5 Prozent im Vergleich von 2019 zu 2020 starke Wachstumsraten auf. Diese beiden Wirtschaftszweige sowie zwei weitere (Web­portale und Musikhandel) konnten auch im Folgejahr 2021 zweistellige Zuwachsraten verzeichnen. Insgesamt stieg diese Um­satzgruppe trotz eines Rückgangs bei den Buchverlagen im Jahr 2021 um weitere 12,6 Prozent an und erreichte im Jahr 2021 ein Gesamtumsatzvolumen von 18,9 Milliarden Euro. Die sechs genannten Wirtschafts­zweige konnten einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, dass die KKW insgesamt nicht so stark von der Krise betroffen war, wie ur­sprünglich angenommen wurde.

Andere Wirtschaftszweige der KKW verlieren in der Krise

Im Krisenjahr 2020 gehörten zehn der ins­gesamt 63 Wirtschaftszweige zu den großen „Verlierern“. Der Umsatz der zehn Wirt­schaftszweige mit den größten Umsatzver­lusten sank im Jahr 2020 auf 14,8 Milliarden Euro, was einem Rückgang um 2,2 Milliarden Euro im Vergleich zu den 17,0 Milliarden Euro im Jahr 2019 entspricht. Es ist zu beob­achten, dass viele dieser Wirtschaftszweige erhebliche Umsatzrückgänge verzeichneten. Zwei Branchen sind besonders stark be­troffen: Zu den absolut größten Verlierern zählen Werbeagenturen mit einem Verlust von knapp 800 Millionen Euro und Theater-/Konzertveranstalterinnen und -veranstalter mit einem Rückgang von knapp 370 Millio­nen Euro. Letztere zählen auch relativ zu den größten Verlierern, mit einem Rückgang von 75,9 Prozent, gefolgt von den Kinos mit einem Rückgang von 65,4 Prozent. Weitere Wirtschaftszweige der KKW mussten zwei­stelligen Umsatzrückgängen von 10 bis 21 Prozent hinnehmen.

Die Bilanz der „Gewinner“ und „Verlierer“ in der KKW während der Coronakrise zeigt ein differenziertes Bild. Während einige Wirtschaftszweige erhebliche Einbußen verzeichneten, konnten andere hohe Um­satzzuwächse verzeichnen. Die Diversität der Branche hat dazu beigetragen, dass die Gesamtauswirkungen der Krise gedämpft wurden. Obwohl einige Wirtschaftszweige wie Werbeagenturen und Theater-/Konzert­veranstalterinnen und -veranstalter starke Verluste hinnehmen mussten, konnten andere Branchen wie die Vermarktung von Werbeflächen und die Softwareentwicklung die Verluste abfedern und die Erholung der KKW unterstützen.

Insgesamt konnte die KKW nach dem Rück­gang von 3,5 Prozent in 2020 ihre Umsätze in 2021 um 8,3 Prozent steigern. Der Ver­gleich zur Gesamtwirtschaft macht deut­lich, dass die Krise auch andere Branchen stark beeinträchtig hat. So verzeichnete die Gesamtwirtschaft im Jahr 2020 einen Rück­gang von 3,9 Prozent. Mit einem Zuwachs von 16,1 Prozent im Jahr 2021 erzielte die Gesamtwirtschaft allerdings eine erhebliche Steigerung. Diese Steigerung entsprach einem Umsatzplus von insgesamt 184,1 Mil­liarden Euro. Dazu trugen am stärksten das Finanz-/Versicherungsgewerbe mit 85,5 Mil­liarden Euro Umsatzplus, das verarbeitende Gewerbe mit 45,3 Milliarden Euro Umsatz­plus und der Großhandel mit 20,4 Milliarden Euro Umsatzplus bei.

Die KKW wird zunehmend stärker durch nicht-kulturelle oder nicht-kreative Wirtschaftszweige dominiert

Die aktuelle Bilanz zu dem bisher Gesagten könnte lauten: Trotz der Herausforderungen hat die KKW insgesamt eine bemerkenswer­te Widerstandsfähigkeit bewiesen und sich rasch erholt. Im Jahr 2021 konnten bereits wieder Umsätze über dem Vorkrisenniveau verzeichnet werden. Die vorliegende Aus­wertung verdeutlicht jedoch, dass die quan­titative Entwicklung der KKW zunehmend von Wirtschaftszweigen dominiert wird, deren wirtschaftliche Aktivitäten zunehmend nicht-kultureller oder nicht-kreativer Natur sind.

Der Gesamtumsatz der KKW ist von 30,6 Milliarden Euro im Jahr 2011 auf 39,7 Milliar­den Euro im Jahr 2019 und weiter auf 41,5 Milliarden Euro im Jahr 2021 angestiegen. Dies entspricht einer prozentualen Ver­änderung von 35,8 Prozent vom Jahr 2011 bis zum Jahr 2019 und von 4,5 Prozent von 2019 zu 2021.

Der bedeutendste Anstieg ist vor allem auf zwei Wirtschaftszweige zurückzuführen, die großenteils zunehmend andersartige Aktivitäten beinhalten. Die Sonstige Soft­wareentwicklung verzeichnete einen Anstieg von 5,2 Milliarden Euro im Jahr 2011 auf 11,6 Milliarden Euro im Jahr 2021, was einem Zuwachs von 122,5 Prozent entspricht. Der Wirtschaftszweig umfasst zunehmend mehr Bürosoftware, Systemsoftware, Daten­banken, Finanzsoftware oder Lern- und Bildungssoftware. Die Gamesbranche spielt in diesem Wirtschaftszweig quantitativ keine nennenswerte Rolle. So waren laut „Games Bavaria“, dem Landesverband der Branche in Bayern, im Jahr 2022 rund 197 Unternehmen im sogenannten Kernmarkt als Entwickler und Publisher tätig. Das ent­spricht rund 3 Prozent der in der Sonstigen Softwareentwicklung tätigen Unternehmen. Für den sogenannten erweiterten Markt der Gamesbranche mit Firmen, Dienstleistern, Organisationen und Einrichtungen kann der Landesverband eine Beschäftigungszahl von 3.478 Arbeitnehmende im Jahr 2022 angeben. Das entspricht rund 4 Prozent der Beschäftigten in der Sonstigen Software­entwicklung. Umsatzzahlen zur bayerischen Gamesbranche sind nicht bekannt.

Ähnliches gilt für den Wirtschaftszweig Webportale, dessen Umsatz von 27 Millionen Euro im Jahr 2011 auf 2,4 Milliarden Euro im Jahr 2021 angestiegen ist, was einem gigantischen Zuwachs von 8.771 Prozent entspricht. Zu den Webportalen gehören Generalisten wie Amazon oder Branchen­riesen wie Otto, Zalando, Ikea etc. Frühere Webportale für Unterhaltungselektronik wie Saturn oder Media Markt spielen heute nur noch eine untergeordnete Rolle. In Bayern werden bereits 46 Prozent des gesamten bundesweiten Umsatzes durch Webportale im Jahr 2022 erzielt. Nur Berlin folgt hier noch mit einem nennenswerten Anteil von 27 Prozent. Alle anderen Bundesländer ha­ben nur einstellige Prozentanteile.

Beide Wirtschaftszweige, die Sonstige Soft­wareentwicklung und Webportale, konnten durch ihr rasantes Wachstum den Anteil am Umsatz innerhalb der KKW von ursprüng­lich 17 Prozent im Jahr 2011 auf 34 Prozent im Jahr 2021 verdoppeln. Bei anhaltender Entwicklung könnten diese Wirtschaftszwei­ge in wenigen Jahren voraussichtlich mehr als 50 Prozent des Gesamtumsatzes der KKW ausmachen. Die Sonstige Softwareent­wicklung und Portale wird vermutlich stark dominiert von den großen Playern, wobei Apple, Amazon und Microsoft ihre Hauptsitze in München haben. Der deutsche Unterneh­menssitz von Alphabet/Google ist zwar in Hamburg, aber München ist größter Standort hinsichtlich der Beschäftigungszahl.

Die zunehmende Dominanz nicht-kulturel­ler oder nicht-kreativer Wirtschaftszweige innerhalb der KKW ist ein deutlicher Trend. Dies wird auch durch die Tatsache belegt, dass ohne die beiden genannten Wirt­schaftszweige das Wachstum der KKW im Zeitraum von 2011 bis 2021 lediglich 8,5 Prozent betragen hätte. Im Vergleich dazu wuchs die Gesamtwirtschaft in diesem Zeit­raum um 41,3 Prozent. Die KKW ist demnach im Vergleich zur Gesamtwirtschaft deutlich langsamer gewachsen.

Diese Auswertung verdeutlicht die Verände­rung der Zusammensetzung in der KKW im Laufe der Zeit und den wachsenden Anteil nicht-kultureller oder nicht-kreativer Wirt­schaftszweige am Gesamtumsatz.

Tabelle 10: Die Kultur- und Kreativwirtschaft ohne Software-Industrie, Angaben in Mio. Euro3
  1. Tab. 8 Hinweis Der Rückgang im Jahr 2020 ist zu einem kleineren Teil auf die Anhebung der Umsatzgrenze von 17.500 auf 22.000 Euro Jahresumsatz für die Erfassung der Kleinunternehmen zurückzuführen. Quellen Umsatzsteuerstatistik-Voranmeldung, Destatis, LfStat Bayern; eigene Schätzungen und Berechnungen, Michael Söndermann/Büro für Kulturwirtschaftsforschung, Köln. ↩︎
  2. Tab. 9 Quellen Umsatzsteuerstatistik-Voranmeldung, Destatis, LfStat Bayern; eigene Schätzungen und Berechnungen, Michael Söndermann/Büro für Kulturwirtschaftsforschung, Köln. ↩︎
  3. Tab. 10 Quellen Umsatzsteuerstatistik-Voranmeldung, Destatis, LfStat Bayern; eigene Schätzungen und Berechnungen, Michael Söndermann/Büro für Kulturwirtschaftsforschung, Köln. ↩︎