Camilla Geier | Fraunhofer-Netzwerk „Wissenschaft, Kunst und Design“
Camilla Geier leitet seit März 2022 die Geschäftsstelle des Fraunhofer-Netzwerks „Wissenschaft, Kunst und Design“. Nach dem Studium der Kunstgeschichte an der Universität zu Köln, der Kunsthochschule Kassel und der Freien Universität Berlin arbeitete sie im kuratorischen Projektmanagement bei der dOCUMENTA (13) und im Fridericianum Kassel. Anschließend konzipierte sie ein Zeitzeugenprojekt im documenta Archiv Kassel und war in der Kunstvermittlung, unter anderem im Museum Ludwig Köln, tätig. Sie assistierte der Leitung in der Medienkunstsammlung JSC Berlin, mit einem Schwerpunkt auf Ausstellungsplanung, Kunstvermittlung und Kooperationsprojekten mit Hochschulen.
CamilLa Geier
Bildnachweis: Sandra Kühnapfel/Fraunhofer
Prof. Dr.-Ing. Jens Krzywinski | Professur für Technisches Design TU Dresden
Prof. Dr.-Ing. Jens Krzywinski leitet seit April 2019 die Professur für Technisches Design an der TU Dresden. Von September 2012 bis August 2018 hatte er die Juniorprofessur für Technisches Design inne. Darüber hinaus wirkt er als Juror bei verschiedenen Designpreisen mit und ist aktiv in Beiräten u. a. für arthistoricum.net, den Fachinformationsdienst Kunst, Fotografie und Design sowie den Branchenverband der Dresdner Kultur- und Kreativwirtschaft WGD. Gemeinsam mit seinem Team gewann er zahlreiche nationale wie internationale Design- & Innovationspreise. Jens Krzywinski ist Mitinitiator und Leiter des 2023 gegründeten „DesignLab for Applied Research“ sowie Sprecher des Fraunhofer-Netzwerks „Wissenschaft, Kunst und Design“ sowie Co-Director des Departments Speculative Transformation am Dresdner Center for Interdisciplinary Digital Science.
Prof. Dr.-Ing. Jens Krzywinski
Bildnachweis: TU für Technisches Design
Christian Hermeling | TU Dresden
Christian Hermeling ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Technischen Universität Dresden und am Fraunhofer IWU. Er ist Koordinator des „DesignLab for Applied Research“ von TU Dresden und Fraunhofer-Gesellschaft.
In einer Welt, die sich zunehmend durch komplexe Herausforderungen und dynamische Veränderungen auszeichnet, wandelt sich auch die Praxis der (angewandten) Forschung. Transdisziplinarität, als eine neue Form der Welterschließung, erweist sich dabei als wichtiger Schlüssel, um innovative Lösungen für die drängenden Probleme unserer Zeit zu finden. Sie beschreibt eine wissenschaftliche Vorgehensweise, in der sich die Forschung „aus ihren fachlichen, disziplinären Grenzen löst und ihre Probleme mit Blick auf außerwissenschaftliche, gesellschaftliche Entwicklungen definiert, [die sie dann] disziplin- und fachunabhängig zu lösen [beansprucht]“.1 Transdisziplinarität zielt auf eine lebensdienliche Forschung in enger Verständigung mit der Gesellschaft. Der eigentliche Forschungsgegenstand wird nicht (allein) aus der Akademie heraus geformt, sondern im Dialog mit eben jenen gesellschaftlichen Akteurinnen und Akteuren (Politik/Verwaltung, Wirtschaft, Bildung, Alltag usw.), in deren Lebenswirklichkeit sich bestimmte untersuchungswürdige Phänomene konkretisieren. Das 2018 gegründete Fraunhofer-Netzwerk „Wissenschaft, Kunst und Design“ greift diesen Ansatz auf und entwickelt ihn in besonderer Verschränkung mit den Gewerken Kunst und Design weiter. Dabei werden Letztere nicht allein als Vermittlungsebene, sondern als wichtige Instrumente der Erkenntnisgewinnung eingesetzt und als wissenschaftliche Praxis legitimiert. Die künstlerische Forschung ermöglicht so neue Realitätszugänge und Sichtweisen auf die so gemeinschaftlich formulierten Fragestellungen.
Durch gemeinsame Forschungsprojekte, Ideenwettbewerbe, Residenzen und Ausstellungen wird diese Arbeit durch das Netzwerk WKD forciert und werden unterschiedliche Wissensfelder, einschließlich der Ästhetik, zielgerichtet vereint. Derzeit gehören 28 Institute und Einrichtungen sowie die Zentrale der Fraunhofer-Gesellschaft dem Netzwerk an. Bayern ist mit zwei Instituten vertreten2, dem IIS in Erlangen und dem ISC in Würzburg. Sie alle bringen ihre unterschiedlichen Kompetenzen und Kontakte in den Bereichen Kunst und Design mit ein. Aus den Programmen des Netzwerks entstehen Patentanmeldungen, Folgeprojekte mit Industriefinanzierung und neuartige Möglichkeiten der Akquisition für die Fraunhofer-Mitgliedsinstitute. Darüber hinaus nutzen die Institute die Zusammenarbeit und den Austausch im Netzwerk nicht zuletzt, um die Kreativität und innere Motivation der Mitarbeitenden selbst zu stärken. Das Arbeitsprogramm des Netzwerks untergliedert sich dabei in unterschiedliche Programmlinien, die im Folgenden beispielhaft skizziert werden.
Praxisblick – Programme des Netzwerks WKD3, Rahmenprogramm
Ankerpunkt des Netzwerks „Wissenschaft, Kunst und Design“ ist dessen Rahmenprogramm. Jährlich bietet es seinen Mitgliedern die Möglichkeit, Projektanträge einzureichen, die das Zusammenspiel von künstlerischen bzw. gestalterischen Methoden und angewandter Wissenschaft anschaulich demonstrieren und schöpferisch weiterentwickeln. Entscheidend dabei ist, dass sich die angestrebten Projekte in das Strategiekonzept des Instituts im Rahmen des Fraunhofer-Modells einfügen und damit eine noch stärkere Orientierung an gesellschaftlichen Bedarfen und der Ertragssicherung (wirtschaftlich ebenso wie gesellschaftlich und/oder ökologisch) erreichen.
Eine Auswahl der genehmigten Projekte des zurückliegenden Jahres veranschaulicht das Spektrum der umgesetzten Forschungsarbeiten. So hat das Fraunhofer-Institut für Bauphysik mit dem Projekt „Vector“ etwa die Wirkung von Akustik auf die menschliche Wahrnehmung, Gesundheit und Zufriedenheit dargestellt, ergänzend dazu mittels eines immersiven Ausstellungsprojekts weitere Forschungsdaten gesammelt, und mit dem Projekt „Climate-Adapted Architectural Heritage“ die Anpassung des globalen architektonischen Erbes an den Klimawandel erforscht. Zwei Projekte im Forschungsfeld der Künstlichen Intelligenz (KI) befassten sich währenddessen mit der transparenten und verantwortungsvollen Weiterentwicklung Bildgenerativer KI, zum einen das Projekt „Beyond the Machine“ des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung ISI, zum anderen das Projekt „Prompt_e_Vision“ des Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT. Beide Projekte ergründen die Möglichkeiten für Innovations- und Zukunftsforschung, kollaborative Technikentwicklung, Interaction Design, Nachhaltigkeitsforschung, Reallabore, Bildungskontexte sowie Wissenschaftskommunikation und beabsichtigen diese für die Fraunhofer-Forschung nutzbar zu machen.
„Artist/Designer in Lab“
Zu den Förderprogrammen des Netzwerks WKD gehört ebenfalls das erfolgreiche Tandem-Programm „Artist/Designer in Lab“, das sich mittlerweile im fünften Jahr befindet. Die öffentliche Ausschreibung richtet sich jährlich an Kunst- und Designschaffende aller Fachrichtungen, die in den interdisziplinären Austausch und in die Zusammenarbeit mit Forschenden der Fraunhofer-Gesellschaft treten möchten. Das Programm ist innerhalb der Fraunhofer-Gesellschaft einzigartig und wurde dieses Jahr insbesondere durch das im WKD-Rahmenprogramm eingereichte Projekt „New Path“ des Fraunhofer-Informationszentrum Raum und Bau (IRB) unterstützt. „New Path“ schaffte eine wichtige Grundlage zur rechtlichen Ausgestaltung der Eigentums- und Nutzungsrechte in heterogenen Projektkonstellationen, wie eben jenen Tandemkooperationen zwischen Fraunhofer-Forschenden und ihren externen Partnerinnen und Partnern aus der Kultur- und Kreativwirtschaft. Zugleich aber bieten die Erkenntnisse aus diesem Projekt wichtige Ansatzpunkte für einen breiteren Diskurs zur vertraglichen Handhabung neuer Konstellationen der Zusammenarbeit auch außerhalb der Grenzen des Netzwerks.
Auch die sieben Gewinnerprojekte des „Designer in Lab 2023“ zeigen den lebensweltlichen Bezug dieser grenzübergreifenden Forschung als Ergebnis des gezielten Perspektivwechsels und der katalysierenden Impulse durch die Design-Partnerinnen und -partner. Detaillierte Forschungs- und Versuchsdaten konnten unter anderem mit prototypischen Möbeln aus vom Borkenkäfer befallenem Holz oder neuen nachhaltigen Materialen wie veganem Leder aus den Pressrückständen der Saftproduktion in diskursive Lösungsansätze für gesellschaftliche Herausforderungen überführt werden. Die Übertragung wissenschaftlicher Erkenntnisse von einem Wissensfeld auf das andere wie etwa bei der Entwicklung objektiver Design Awards durch neurowissenschaftliche Bewertungssysteme oder andersherum bei der Nutzbarmachung designspezifischer Modellpraxis im Rahmen der Erforschung von Zielkonflikten zeigt die Werthaltigkeit dieser neu geformten Forschungs-Design-Partnerschaften.
Mit der Gesellschaft im Austausch
Ein zentraler Aspekt der Arbeit des Netzwerks WKD ist die Einbindung lebenspraktischer Perspektiven und die Verständigung mit der Bevölkerung. Aus diesem Grund präsentiert sich das Netzwerk regelmäßig der Öffentlichkeit, gewährt Einblicke in laufende oder abgeschlossene Forschungsprojekte und sensibilisiert für die Relevanz anwendungsorientierter Forschung.
So auch beim „Festival der Zukunft“ des Deutschen Museums München. An drei Tagen war die große Ausstellungsfläche im Deutschen Museum Forum für den intensiven Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft. Unter dem Motto „Prompts an die Kollektive Intelligenz der klügsten Köpfe aus Technologie, Wissenschaft und Kunst“ präsentierten Forschende und Kunstschaffende Neues aus der Welt von morgen. Präsentiert wurden unter anderem die Gewinnerprojekte des „Artist in Lab 2022“-Wettbewerbs: Kunst gegen den Klimawandel mittels organischer Mehlwurmausscheidungen, an deren Verwendung als Baumaterial Fraunhofer forscht, Schallisolierung aus Pilzmyzel, Podcasts mit Zukunftsnarrationen, eine 3D-Soundsphäre, die innere Regungen von Pflanzen erlebbar macht, und eine interaktive Raumskulptur, die sinnliches Erleben und Augmented Reality miteinander verbindet.
Auch auf der „munich creative business week“ (mcbw) 2023 und 2024 in München kuratierte das Fraunhofer-Netzwerk WKD ein öffentlichkeitswirksames Programm, um Menschen zum Dialog einzuladen. Dazu zählten eine Robotik- und Programmierwerkstatt zum Thema neuronale Netze der Abteilung Bürgerformate sowie Workshops zu Design und FungiFacturing. Außerdem zeigten das Netzwerk WKD und das DesignLab in einer kollaborativen Ausstellung auch hier ausgewählte Projekte und Exponate.
Ein Blick über die Grenzen Bayerns
Um den Transfer von technischen Innovationen in Gesellschaft und Anwendung konsistenter als bisher unterstützen zu können, beabsichtigt das Netzwerk seine Ansätze institutionell zu festigen. Die Stadt Dresden bot hier mit ihrer hervorragenden Forschungs- und Innovationslandschaft und mit elf Fraunhofer-Instituten am Standort einen idealen Startpunkt für einen solchen Schritt. In Verbindung mit der TU Dresden als einer der deutschen Exzellenzuniversitäten und einer Kreativszene mit über 18.000 Köpfen verfügt Dresden über besonders günstige Voraussetzungen für transdisziplinäre und crosssektorale Forschung. Bereits erfolgreiche einzelne Projekte zwischen ansässigen Fraunhofer-Instituten und der größten Industriedesign-Professur Deutschlands boten logische Anknüpfungspunkte für den Aufbau des sogenannten „DesignLabs“ mit dem Fraunhofer-Institut für Verkehrs- und Infrastruktursysteme IVI, dem Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik IWS und dem Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU und der Professur für Technisches Design. Damit würdigt diese Initiative die wachsende Bedeutung disziplinübergreifender, integrativer Forschung und die besondere Rolle der Kultur- und Kreativwirtschaft als explorative, erneuernde Kraft.
- Mittelstaß, Jürgen: Interdisziplinarität oder Transdisziplinarität? in: Ders. (Hg.): Die Häuser des Wissens, Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1998, S. 29 – 48. ↩︎
- Anm. d. Redaktion: In der Druckfassung wie auch in einer früheren digitalen Version des Berichts wurde fälschlicherweise von 17 Instituten in Bayern gesprochen (Korrektur vorgenommen am 26.09.2024). ↩︎
- Fraunhofer-Netzwerk „Wissenschaft, Kunst und Design“: Website, 2024, https://www.art-design.fraunhofer.de/ [zuletzt aufgerufen: 23.05.2024]. ↩︎