Die SK³, die ständige Konferenz für Kunst & Kultur in Bayern, wurde am 28. November 2022 gegründet, um eine ständige Interessenvertretung für die Freie Kunst- und Kulturszene in Bayern zu etablieren. Ihr Ziel ist es, der Kulturszene in Bayern angemessene Anerkennung zu verschaffen und die Voraussetzungen für eine adäquate Förderung aufzubauen. Die SK³ fördert den Erfahrungsaustausch, die Meinungsbildung und die Vernetzung zwischen den beteiligten Partnerverbänden und -organisationen, entwickelt gemeinsame kulturpolitische Stellungnahmen und wirkt aktiv an der Weiterentwicklung der Förderung von Kunst und Kultur in Bayern mit.

Philipp Ernst | Bayerischer Landesverband der Kultur- und Kreativwirtschaft BLVKK e. V.

Philipp Ernst ist Vizepräsident des Bayerischen Landesverbandes für Kultur- und Kreativwirtschaft BLVKK und ist außerdem als selbst ständiger Künstlermanager und Musikproduzent tätig. Als Mitglied des BLVKK ist auch er Teil der SK³.

Philipp Ernst

Bildnachweis: Katrin Schafbauer

Walter Heun | Bayerischer Landesverband für Zeitgenössischen Tanz

Walter Heun ist Vorsitzender des Bayerischen Landesverbandes für Zeitgenössischen Tanz und über seine Firma „Joint Adventures“ maßgeblich an der Organisation von Tanzveranstaltungen und Förderprogrammen beteiligt. Zudem setzt er sich als Vorsitzender der SK³ für Kunst und Kultur in Bayern ein.

Walter Heun

Bildnachweis: Susie Knoll

In der SK³ dominieren Netzwerkstrukturen statt einer hierarchischen Verwaltung. Wir verstehen uns als dezentrales Netzwerk, in dem diejenigen, die in einem bestimmten Themenbereich am kompetentesten sind und ihn am besten vertreten können, als Sprecherin oder Sprecher fungieren.

Walter Heun

Lieber Walter, lieber Philipp, am 28. November 2022 hat sich die SK³ – Ständige Konferenz für Kunst & Kultur in Bayern gegründet. Wer oder was ist SK³? Wodurch ist dieser Zusammenschluss begründet und welche Ziele werden verfolgt? Und welche Fragen und Herausforderungen stehen im Mittelpunkt der Arbeit von SK³?

Walter Heun Um den Werdegang kurz zu skizzieren: Die SK³ ist aus einem gemeinsamen Bewusstsein in der Vor- und Nachbereitung eines Begleitausschusses für das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst entstanden. Bei diesem Ausschuss ging es insbesondere um die Fördermaßnahmen während der Pandemie.

Wir haben uns jedoch unabhängig von pandemiespezifischen Belangen auch über die Anliegen unserer jeweiligen künstlerischen Szene verständigt. Daher lag es nahe zu sagen, dass wir bereits eine Art ständige Konferenz für Kunst und Kultur in Bayern sind. Wir hatten die SK³ zunächst informell als Netzwerk gegründet. Seit letztem Sommer sind wir auch formell als Verein organisiert. Unser Hauptziel ist es, die Fragen von Kunst und Kultur zu vertreten und uns insgesamt für die Anerkennung und Wertschätzung der Kulturarbeit, insbesondere der Freien Szene in Bayern, einzusetzen. Dazu gehört auch die Einführung neuer Fördermodelle und -instrumente, um bürokratische Hürden abzubauen, die während der Pandemie festgestellt wurden. Wir setzen uns für eine angemessene Budgetierung der Freien Szene ein.

Ein weiteres Anliegen ist die soziale Absicherung von Künstlerinnen und Künstlern, insbesondere der Schutz vor Altersarmut. Da dies kein spezifisch bayerisches Problem ist, möchten wir es gerne in die Diskussion mit dem Bund einbringen. Insgesamt geht es uns darum, die Interessen von Kunst und Kultur in Bayern auf Landes-, Bundes- und internationaler Ebene zu vertreten.

Warum ist die Interessenvertretung wichtig und warum jetzt?

Philipp Ernst Die Interessenvertretung war schon immer wichtig. Sie wäre eigentlich schon vor 15 oder 20 Jahren überfällig gewesen. Ich glaube, dieses demokratische Abstimmen, dieses Miteinander und nicht Gegeneinander der Verbände ist entscheidend. Wir müssen gemeinsame Interessen formulieren und dort, wo wir gemeinsame Ziele verfolgen können, zusammenarbeiten, um in dieser Demokratie im besten Sinne wirkungsvoll zu sein.

Walter Heun Tatsächlich gab es vor etwa 30 Jahren einen Versuch, einen Bayerischen Kulturrat zu gründen. Dabei kam es jedoch zu erheblichen Meinungsverschiedenheiten, und das Gegenteil dessen, was erhofft wurde, trat ein. Die Rolle der SK³ ist eine andere. Wir versuchen nicht, uns in einem pyramidalen System zu organisieren, in dem es wichtigere und unwichtigere Verbände gibt. Stattdessen haben wir die Idee eines europäischen Netzwerks für darstellende Künste aufgegriffen, ähnlich dem IETM (International Network for the Performing Arts).

Könntest du das genauer ausführen? Wie werden effektive Mechanismen für eine partizipative Meinungsbildung und Entscheidungsfindung innerhalb der SK³ etabliert?

Walter Heun In der SK³ dominieren Netzwerkstrukturen statt einer hierarchischen Verwaltung. Wir verstehen uns als dezentrales Netzwerk, in dem diejenigen, die in einem bestimmten Themenbereich am kompetentesten sind und ihn am besten vertreten können, als Sprecherin oder Sprecher fungieren. Wir sind also kein Netzwerk, in dem die Spinne in der Mitte sitzt und alles kontrolliert. Das ermöglicht es uns, schnell zu reagieren. Zum einen benötigen wir eine allgemeine Vertretung für alle Künste in Bayern, und zum anderen erfolgt ein Know-how-Transfer zwischen den Verbänden sowie die Definition von gemeinsamen übergeordneten Zielsetzungen innerhalb der SK³. Die Umsetzung für die einzelnen Kunstformen obliegt den jeweiligen Einzelverbänden.

Inwiefern kann eine koordinierte Lobbyarbeit über Teilmarktgrenzen hinweg die politischen Rahmenbedingungen für die Kultur- und Kreativwirtschaft in Bayern positiv beeinflussen?

Walter Heun Man kann sagen, dass allein die Gründung der SK³ bereits maßgebliche Veränderungen in die richtige Richtung bewirkt hat. Vor der konstituierenden Pressekonferenz erhielten wir bereits eine E-Mail aus dem Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst, die besagte, dass die zunächst als Sonderförderung „Neustart“ bereitgestellten 3 Millionen Euro von der bayerischen Staatsregierung dauerhaft zur Verfügung gestellt werden. Mit diesen Mitteln konnten wir kreativ arbeiten und Schritte zur Entwicklung unserer Förderprogramme unternehmen. Die einzelnen Verbände haben umfangreichere und besser ausgestattete Fördersysteme für Künstlerinnen und Künstler entwickelt. Dieser Prozess soll fortgesetzt werden.

Auf Bundesebene hat Monika Grütters, die ehemalige Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, eine bemerkenswerte Idee aufgegriffen. Sie schlug vor, die Mittel der ersten und zweiten Kulturmilliarde während der Pandemie über die Verbände und die relevanten Bundesstellen zu verteilen, anstatt einen unnötig aufwändigen Verwaltungsapparat zu schaffen. Die SK³ strebt eine ähnliche Richtung an, nämlich das bereits vorhandene Know-how zu bündeln, um Fördermodelle zu entwickeln und öffentliche Mittel gezielt dort einzusetzen, wo sie benötigt werden. Daher ist es entscheidend, sich auszutauschen und das vorhandene Know-how zu nutzen.

Als SK³ habt ihr es euch auf die Fahne geschrieben, die Interessen von Kunst und Kultur in Bayern auf Landes-, Bundes- und internationaler Ebene zu vertreten. Inwiefern sollte die SK³ in internationale Netzwerke eingebunden sein, um die bayerische Kultur- und Kreativwirtschaft global zu positionieren? Welche Relevanz messt ihr der Vernetzung auf europäischer Ebene bei?

Walter Heun Ja, das möchten wir definitiv vorantreiben. Ich selbst komme aus dem Bereich der darstellenden Künste, insbesondere dem Tanz, und habe festgestellt, dass sich über die internationale Vernetzung ein enormes Qualitätsniveau in der freien Szene entwickelt hat. Es ist nicht mehr so, wie es früher oft dargestellt wurde, nämlich als eine Art „Brutkasten“ für aufstrebende Künstlerinnen und Künstler, die erst ernsthafte Kunstschaffende werden, wenn sie an Stadt- oder Staatstheatern arbeiten. Heutzutage ist die Freie Szene ein gleichwertiger Sektor von hochprofessioneller Kulturarbeit, der sich (auch) über die internationale Zusammenarbeit entwickelt hat.

Als Präsident des European Dance House Network auf europäischer Ebene habe ich viele Entwicklungen mitprägen können, wie zum Beispiel die Schaffung eines Mobilitätsfonds für darstellende Künste in Europa, der niederschwellig zugänglich ist. Ich habe auch in dieser Funktion mitwirken dürfen, den Bürokratieabbau auf europäischer Ebene voranzutreiben, was zu vereinfachten Abrechnungsmethoden geführt hat. Diese Fortschritte sind das Ergebnis von Workshops, die wir damals durchgeführt haben. In einer Zeit, in der es außenpolitische Polarisierung gibt, wird die europäische Ebene immer bedeutsamer, und der Zusammenhalt in Europa ist wichtiger denn je, entgegen aktuellen populistischen Diskussionen. Kunst und Kultur spielen eine maßgebliche Rolle bei der Bewusstseinsbildung und der Idee eines offenen Europas. Als bayerische Organisation möchten wir uns als SK³ in bundesweite und internationale Dialoge einbringen und gleichzeitig kooperieren, um Kulturpolitik im In- und Ausland voranzutreiben.

Es gibt durchaus Beispiele dafür, wie der Freistaat Bayern eigenständig Kulturpolitik betreibt und Partnerschaften mit bestimmten Ländern und Regionen auf der ganzen Welt eingeht. Dabei werden insgesamt sechs Partnerregionen besonders hervorgehoben. Eine bedeutende Kooperation besteht beispielsweise zwischen Bayern und Quebec. In diesem Zusammenhang gibt es auch Aspekte, in denen wir als SK³ einen Beitrag leisten können.

Philipp Ernst Auch der Bayerische Landesverband der Kultur- und Kreativwirtschaft ist aktiv in diesem Bereich. Wir haben ein erstes Erasmus-Förderprojekt abgeschlossen, das sich mit einem Curriculum für Kulturarbeitende befasst, mit einem Partner in Österreich und einem Partner in Spanien. Dieses Projekt soll fortgesetzt werden. Für mich verkörpert es ein gelebtes Europa. Es geht darum, sich auf vielen Ebenen auszutauschen. Das Projekt wird nun mit weiteren Partnerinnen und Partnern aus Tschechien und Polen fortgesetzt, was ich äußerst wertvoll finde.

In der SK³ haben wir das Thema Mindesthonorare angesprochen, für das es in Österreich mittlerweile eine Regelung im Kultursektor gibt. Dort wurden verbindliche Regelungen sowie feste Honorarsätze und Berechnungsgrundlagen entwickelt. Ich halte es für wichtig, sich anzuschauen, was in anderen europäischen Ländern vorangeht, und zu prüfen, ob man diese Idee nicht auch bei uns adaptieren könnte.

Walter Heun Tatsächlich ist es auch so, dass die Staatsministerin Claudia Roth vor wenigen Tagen eine neue Regelung herausgegeben hat, dass alle Projekte, die mit mindestens 50 % Bundesförderung arbeiten, Honorarmindeststandards einzuhalten haben, die von den jeweiligen Bundesverbänden aufgestellt werden. Das ist ein Riesenerfolg.

Aber es ist auch ein Thema, bei dem wir mit Markus Blume, dem bayerischen Staatsminister für Wissenschaft und Kunst, im Gespräch sind. Die bayerische Staatsregierung entwickelt derzeit ihre Förderprogramme weiter und wir erwarten die zweite Stufe, die in diesem Jahr kommen soll. Ein wichtiges Anliegen der SK³ ist es daher, die Fördersysteme so weiterzuentwickeln, dass ein Leben oder Lebensentwürfe in Kunst und Kultur, insbesondere in der Freien Szene, möglich und finanzierbar werden.

Welche Rolle spielt SK³ bei der Zusammenarbeit und dem Erfahrungsaustausch zwischen den verschiedenen Verbänden und Organisationen in Bayern?

Walter Heun Es ist wirklich wichtig, dass wir uns regelmäßig treffen. Einzelne Vertreterinnen und Vertreter der Mitgliedsorganisationen konnten mit dem hohen Tempo, das die SK³ in den letzten zwei Jahren an den Tag gelegt hat, nicht Schritt halten und sind aus verschiedenen Gründen ausgeschieden. Während der Pandemie fanden praktisch wöchentliche Treffen mit dem Kunstministerium online statt, was natürlich eine umfangreiche Vor- und Nachbereitung erforderte. Ein einzelnes Gespräch mit dem Ministerium führte oft zu drei weiteren Folgesitzungen. Wir halten einen alle zwei Wochen stattfindenden Austausch über aktuelle Themen aufrecht, und plötzlich auftauchende Angelegenheiten wie die Zusammenlegung von Kreativunterricht in den bayerischen Schulen erfordern unmittelbares Handeln. Oder wenn der Bayerische Rundfunk beispielsweise beginnt, Kultursendungen zu bündeln und aus der Prime Time zu entfernen und gleichzeitig über zeitgemäße Formate nachdenkt, die auch für ein breites Publikum zugänglich sind, stellt sich die Frage, wie dies die spontane Begegnung der Menschen mit Kunst und Kultur beeinflussen könnte. Dies sind Themen, die uns alle betreffen und sofortiges Handeln erfordern.

Philipp Ernst Die primäre Aufgabe der SK³ besteht darin, in einem informellen und nicht hierarchischen Rahmen Wissen auszutauschen, gemeinsam die Agenda zu setzen und voranzutreiben sowie sich über relevante Themen abzustimmen. Auf dieser Basis finden Gemeinschaftlichkeit und Austausch auf Augenhöhe mit gegenseitigem Respekt für die Arbeit des anderen statt. Auch zu aktuellen Themen wie den Plänen zur Zusammenlegung der Kreativunterrichte in den Schulen – das ist ein schwerer Schlag für uns. Ich habe immer die These vertreten, dass jemand, der musikalische Fähigkeiten besitzt, auch meist gut in Mathe ist. Diese Querverbindungen sollte man nicht einfach ignorieren. Diese Soft Skills, die sich schwerer quantifizieren lassen, werden oft nicht ernst genug genommen.

Walter Heun Jedes Mitglied der SK³ bringt dabei eigene Netzwerke und Informationsquellen mit ein. Dadurch können wir Informationen miteinander teilen, die uns als Einzelne sonst nicht zugänglich wären, da wir auf unterschiedliche Weise vernetzt sind.

Was bedeutet „neue Gemeinschaftlichkeit“ für euch?

Philipp Ernst Für uns verkörpert „neue Gemeinschaftlichkeit“ die Verankerung in den Grundfesten der Demokratie und den Wunsch, diese durch unsere kulturelle Arbeit zu bewahren. Wir vertreten die Ansicht, dass die kulturelle Arbeit eine wichtige
Bühne für den demokratischen Austausch bietet. Dabei geht es nicht (nur) darum, politische Themen zu verhandeln, sondern vielmehr darum, dass kulturelle Partizipation ein wesentliches Element für Bürgerinnen und Bürger ist, um unsere Gesellschaft unmittelbar zu erfahren. Ich bin der Meinung, dass dies dazu beiträgt, die Demokratie zu festigen, was wir in dieser Zeit dringend benötigen – die Offenheit im Denken zu bewahren, neue Ideen kennenzulernen und sich mit anderen Menschen auszutauschen, sei es nach einer Vorstellung beim Bier oder bei einer Tasse Kamillentee. Ich halte es für essenziell, dass sich Menschen persönlich begegnen und nicht nur durch Filter und virtuell.

Walter Heun Ich möchte gerne noch einen Gedanken hinzufügen. Wenn es um Gemeinschaftlichkeit und die Gesellschaft geht, sehe ich Kunst- und Kulturschaffende als eine Art gesellschaftliches Laboratorium, in dem neue Formen der Zusammenarbeit und des Zusammenlebens erprobt werden können. Künstlerinnen und Künstler fungieren meiner Ansicht nach als gesellschaftliche Seismographen, die neue Entwicklungen und Notwendigkeiten in unserer Gesellschaft aufzeigen. Schon immer haben sie Flexibilität in ihren Arbeitsverhältnissen gezeigt, wie es jetzt beispielsweise mit dem Konzept der „Flexi Worker“ diskutiert wird. Das haben Kunstschaffende schon immer gemacht: Sie sind Expertinnen und Experten in neuen Arbeitsverhältnissen. Auch in Fragen der sozialen Integration und Themen wie Inklusion und Diversität sind Kunst und Kultur oft Vorreiterinnen und Vorreiter.

In Bezug auf die SK³ sehe ich jedoch noch ein Defizit in der kulturellen Interessenvertretung, was wir in Zukunft angehen müssen. Wir sollten uns diverser aufstellen und Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen stärker in die Verbandsarbeit einbinden. Das ist wichtig, um nicht nur bessere Arbeitsbedingungen zu schaffen, sondern auch, um eine vielfältigere kulturpolitische Entwicklung zu ermöglichen. Für mich persönlich ist die SK³ eine völlig neue Form der Zusammenarbeit. Ich habe in anderen Bereichen erlebt, wie sehr sich einzelne Richtungen oder Kunstformen gegenseitig bekämpfen können. Die SK³ ist jedoch ein Musterbeispiel dafür, wie es anders laufen kann. Es gab bisher keine Situation, in der jemandem etwas geneidet wurde. Im Gegenteil, wir haben gemeinsam Insiderinformationen geteilt, um die Situation für uns alle zu verbessern. Das ist entscheidend für Kunst und Kultur in Bayern.

Wie beurteilt ihr die Gemeinschaftlichkeit der Branche in Bayern? Sieht sich die Kultur- und Kreativwirtschaft als eine Branche?

Philipp Ernst Aus meiner Perspektive würde ich eher „Nein“ sagen. Man sieht sich schon eher in den einzelnen Teilmärkten. Dies spiegelt sich auch auf der politischen Ebene, so sind die Ansprechpersonen auf ministerieller Ebene in Bayern auf fünf verschiedene Ministerien verteilt. Ich glaube, die SK³ macht jetzt einen wichtigen Schritt, um diesen interessenübergreifenden Austausch zu betonen. Viele stehen vor ähnlichen Herausforderungen und versuchen, sie einzeln oder innerhalb ihres eigenen Interessengebietes zu lösen. Aber das ist eine Herausforderung.

Walter Heun Ich halte es für äußerst wichtig, alle künstlerischen Bereiche voranzubringen. Als Intendant in Wien durfte ich feststellen, wie eine gute strukturierte Förderung eine starke Szene hervorbringt und erhält. Es gibt Infrastrukturen, in denen Kunst und Kultur gedeihen können, und die freie Szene kann kooperieren. Außerdem gibt es Vermittlungsangebote, beispielsweise über die Kommunikation oder Festivals. Diese fünf Säulen machen eine Kulturszene stark. In Wien ist die Tanzszene beispielsweise deutlich stärker, weil es starke Musik-, visuelle und bildende Kunst-Szenen gibt. Durch das Zusammenspiel von Künstlerinnen und Künstlern können Existenzmöglichkeiten in der Kunst geschaffen werden. Zum Beispiel kann ein Choreograf in einem Projekt einer Komponistin mitwirken, um so seine Kunst zu unterstützen und neue Einkommensquellen zu erschließen. Wenn wir alle Künstlerinnen und Künstler stark machen, werden sich auch neue künstlerische Allianzen bilden. In Bayern sind wir mit den Verbänden der jeweiligen Kunstsparten und dem StMWK gerade dabei, solche Förderungen aufzubauen. Die Schaffung erweiterter Strukturen sollte in Zusammenarbeit von Land, ggf. Bund, aber vor allem den Kommunen vorangetrieben werden. Wir sind da auf einem guten Weg.

Philipp Ernst Im kulturellen Kontext wird das gemeinsame künstlerische Schaffen als etwas Verbindendes betrachtet, was im Wirtschaftskontext auf den ersten Blick nicht so stark ausgeprägt zu sein scheint.

Walter Heun Es ist deutlich, dass sich die verschiedenen Verbände in unterschiedlichen Entwicklungsstadien befinden. Unser Bayerischer Landesverband für zeitgenössischen Tanz wird vielleicht politisch noch nicht so stark wahrgenommen wie der BLVKK, jedoch verfügen wir über eine enorme Erfahrung in der Realisierung von Förderprojekten. Seit etwa 1997 betreuen wir die Förderprogramme des Freistaats Bayern im Bereich der Freien Szene und können daher unsere Kolleginnen und Kollegen darüber informieren, wie sie ihre Modelle weiterentwickeln können. Wir können zum Beispiel viel vom Tonkünstlerverband profitieren, der wiederum ganz andere Modelle verfolgt. Wir lernen davon, wie unsere Szenen unterschiedlich funktionieren und können uns gegenseitig inspirieren. Das ist für mich auch eine Form von neuer Gemeinschaftlichkeit.

Ihr habt gerade darüber gesprochen, welche Chancen sich aus teilmarktübergreifender Verständigung ergeben. Gibt es denn strukturelle Hindernisse, die einer stärkeren Gemeinschaftlichkeit in der bayerischen Kultur- und Kreativwirtschaft im Weg stehen, und wie können sie überwunden werden?

Philipp Ernst Auf Wirtschaftsebene stehen wir vor strukturellen Herausforderungen, insbesondere hinsichtlich der Aufteilung auf verschiedene Ministerien. Die Kultur- und Kreativwirtschaft ist über mehrere Ressorts wie zum Beispiel das Ministerium für Wissenschaft und Kunst, das Wirtschaftsministerium, die Staatskanzlei und das Digitalministerium verteilt, was zu unterschiedlichen Fördermodellen und Anforderungen führt. Diese Fragmentierung erschwert die Zusammenarbeit, da es keine zentrale Ansprechperson gibt. Während meiner zwei Aufenthalte in Montreal auf Einladung der Wirtschaftsförderung konnte ich viel Inspiration sammeln. Dort wird der kreative Sektor ernst genommen und gefördert, mit dedizierten Ressourcen und einem klaren Engagement für die Kultur- und Kreativwirtschaft. Obwohl Bayern bereits Fortschritte gemacht hat, besteht noch Verbesserungsbedarf, um das volle Potenzial des Landes auszuschöpfen und den kreativen Sektor weiter zu stärken. Es herrscht Einigkeit über das übergeordnete Ziel, jedoch weniger Klarheit über die konkreten Schritte, um dieses Ziel zu erreichen. Daher ist es wichtig, die individuellen Interessen zusammenzuführen und gemeinsame Wege zu finden.

Walter Heun Eine weitere Herausforderung neben der Fragmentierung der Ministerien ist der Bürokratieabbau. Dieses Thema verdeutlicht den Unterschied zwischen dem politischen Willen und der tatsächlichen Umsetzbarkeit, was wir schmerzhaft erleben mussten. Bürokratische Hürden beeinträchtigen nicht nur den Kulturbereich, sondern auch andere Wirtschaftszweige. Es ist verständlich, dass mit Steuergeld besonders sorgfältig umgegangen werden muss und sich daraus Anforderungen an Förderempfängerinnen und -empfänger ergeben, aber wir sollten noch stärker darauf achten, dass dies verhältnismäßig ist. Die SK³ wird sich daher für den Abbau von Bürokratie einsetzen und weitere strukturelle Probleme angehen, wie die Verteilung der Kulturhoheit zwischen Bund und Ländern sowie das Subsidiaritätsprinzip, wonach die kleinste öffentliche Gebietskörperschaft zuerst an den Rand ihrer Kapazität kommen muss, bevor die nächstgrößere Ebene eingreift. Hier sollte mehr Interpretationsspielraum gegeben sein hin zu neuen Kofinanzierungsmodellen zwischen Kommunen, Ländern und dem Bund.

Welche Mechanismen könnten etabliert werden, um den Wissensaustausch und die gemeinsame Bildung in der Branche zu verbessern?

Philipp Ernst Regelmäßige persönliche Treffen. Möglicherweise wäre es außerdem sinnvoll, in Zukunft wieder Konferenzen abzuhalten, um bestimmte Themen intensiv zu diskutieren. Darüber hinaus könnte eine Datenbank mit Fördermöglichkeiten hilfreich sein. Wir beim BLVKK haben bereits begonnen, Fördermöglichkeiten für alle Bereiche zu sammeln und aktuell zu halten. Es wäre sicherlich sinnvoll, in diese Richtung weiter voranzuschreiten. (Anm. der Redaktion: Das Bayerische Zentrum für Kultur- und Kreativwirtschaft bietet ebenfalls ein Rechercheinstrument zur passenden Förderung an: http://bayern-kreativ.de/orientierung/lotse/)

Walter Heun Das, was Philipp anspricht, ist etwas, was vielen im Kulturbereich während der Pandemie gefehlt hat: die Möglichkeit für zufällige Begegnungen und unerwartete Diskussionen. Das ist eine wichtige Komponente, die nicht einfach durch virtuelle Meetings ersetzt werden kann. Wir müssen die Chance auf solche Begegnungen wieder ermöglichen. Deshalb planen wir in Zukunft sicherlich kulturpolitische Symposien. Ein Beispiel dafür ist unser Projekt zur Evaluation der Fördermaßnahmen des Freistaats, das unter dem Titel „Förderpaket Freie Kunst“ firmiert. Die SK³ wird diese Programme evaluieren, unterstützt von wissenschaftlicher Expertise. Die Ergebnisse dieser Evaluierung können uns helfen, in Zukunft besser zu werden. Vor kurzem haben wir eine Geschäftsstelle für die SK³ im ehemaligen Gasteig, dem jetzigen Fat Cat, etabliert. Das gibt uns die Möglichkeit, uns persönlich zu treffen und unsere Themen voranzutreiben. Das ist ein wichtiger Schritt in Richtung Professionalisierung und wird uns helfen, unsere Arbeit effektiver zu gestalten.

Welche Rolle spielen digitale Plattformen und soziale Medien in diesem Kontext?

Philipp Ernst Digitale Plattformen und soziale Medien sind zweifellos das erste Mittel, um schnell Zugang zu aktuellen Themen zu erhalten. Es ist entscheidend, dass alle Verbände digital vernetzt sind, damit man schnell erkennen kann, wer welche Standpunkte vertritt, welche neuen Förderprogramme angeboten werden oder welche neuen Studien veröffentlicht wurden. In dieser Hinsicht spielen digitale Plattformen und soziale Medien eine wichtige Rolle, um auf dem neuesten Stand zu bleiben.

Walter Heun Ja, also für uns sind digitale Plattformen und soziale Medien auf allen Ebenen wichtig, interessanterweise. Kulturpolitische Themen gelangen oft schneller über soziale Medien zu uns als über andere Medien. Manchmal erhält man eine E-Mail und denkt: „Oh, davon habe ich noch gar nichts gehört“, oder es gibt einen Beitrag auf Facebook oder anderswo. Soziale Medien spielen also eine große Rolle bei der Verbreitung von Ideen. Wir haben zum Beispiel mit dem Bayerischen Landesverband für zeitgenössischen Tanz eine Machbarkeitsstudie für ein Tanzhaus in München durchgeführt, und über soziale Medien habe ich viel mehr Resonanz erhalten als auf irgendeinem anderen Weg. Jeder hat seine eigenen Netzwerke, und das ist enorm wichtig für die Verbreitung kulturpolitischer Themen und die Bewusstseinsbildung, da es die Menschen sehr viel schneller erreicht.

Inwiefern kann die Förderung einer vertieften Verständigung über Teilmarktgrenzen hinweg die Widerstandsfähigkeit und Attraktivität der bayerischen Kultur- und Kreativwirtschaft steigern?

Walter Heun Resilienz ist ein sehr großes Thema im Bereich Kunst und Kultur. Künstlerinnen und Künstler, die in der Freien Szene tätig sind, gehören weltweit zu den resilientesten Arbeitskräften, da sie unter prekären Lebens- und Arbeitsbedingungen arbeiten und dennoch einen bedeutenden gesellschaftlichen Beitrag leisten. Die Resilienz unserer kulturellen Vertretungen kann gestärkt werden, wenn wir zusammenarbeiten. Dies war schon immer einer der Schlüsselfaktoren für das Überleben und die Weiterentwicklung von Kunst und Kultur. Indem wir uns zusammenschließen und gemeinsam festlegen, welche Gemeinsamkeiten wir haben und welche kulturpolitischen Forderungen wir stellen möchten, können wir sicherstellen, dass unsere Stimmen gehört werden. Dies gelingt am besten, wenn wir unsere Köpfe zusammenstecken und gemeinsam als Schwarm mehr Intelligenz entwickeln als jede und jeder für sich allein. Das ist eine der zentralen Motivationen der SK³ und ein entscheidender Faktor zur Stärkung unserer gemeinsamen Resilienz.