„Neue Räume“ in der Kultur- und Kreativwirtschaft bezeichnen Orte des kultur- und kreativwirtschaftlichen Schaffens, Forschens und Produzierens sowie der Begegnung und Zusammenarbeit, auch über Branchen- und Teilmarktgrenzen hinweg. Diese Orte dienen als Plattformen für produktive Reibung und den Austausch von Ideen und fördern die Kreativität, Innovation und wirtschaftliche Entwicklung in einer Region – indem sie ein Umfeld schaffen, das kreative Prozesse unterstützt und die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Akteurinnen und Akteuren der Kultur- und Kreativwirtschaft fördert. Die Schaffung solcher Räume bietet der Kultur- und Kreativwirtschaft die Chance, ihr Potenzial voll auszuschöpfen.
Sebastian Knopp | Kreativwirtschaftsförderung Stadt Regensburg
Als gebürtiger Regensburger zog es Sebastian Knopp nach dem Studium der Kulturwissenschaft, Soziologie und Informationswissenschaft an der Uni Regensburg über Berlin nach Linz in Österreich. 2009 lernte er im Bereich der Projektentwicklung der „Linz 2009 Kulturhauptstadt Europas GmbH“ von erfahrenen Kulturmanagerinnen und -managern das Mindset des Ermöglichens in einem internationalen Prestigeprojekt kennen. Zurück in Regensburg gründete er eine Filmproduktion und engagierte sich in einem Kollektiv für die Vernetzung der regionalen Kreativwirtschaft. Seit 2015 baut Sebastian Knopp den Bereich der Kreativwirtschaftsförderung der Stadt Regensburg auf, initiierte vielfältige Projekte und verantwortet das zuständige Team der Kreativbehörde. Neben seinem Engagement in seiner Heimatstadt ist Sebastian Knopp bundesweit als Speaker für ein kreatives Mindset als Basis von Transformationsprozessen unterwegs.

sebastian knopp
Bildnachweis: Florian Hammerich
Unsere größte Herausforderung ist es, den kreativen Nachwuchs in unserer Stadt zu halten. Viele der Absolventinnen und Absolventen unserer Hochschulen oder Menschen, die hier eine Ausbildung absolvieren, benötigen niedrigschwellige Räume, um sich hier niederzulassen und zu gründen.
Sebastian Knopp
Lieber Sebastian, das Degginger in Regensburg gewinnt im Jahr 2024 den Staatspreis für Bayerische Kreativorte. Erzähl mal, was macht das Degginger aus? Wie wird das Degginger genutzt?
Im Erdgeschoss des Degginger versuchen wir die Community der Branche über drei Raumangebote zu fördern. Auf der Bühne, im offenen Gastronomiebereich, finden beispielsweise Netzwerktreffen, Konferenzen oder Vortragsabende mit einer großen Themenbandbreite wie Künstlicher Intelligenz, Stadtentwicklung, Wissenschaftsthemen, Gemeinwohlökonomie oder Nachhaltigkeit statt. In Regensburg sind das im Jahr etwa 75 Veranstaltungen mit im Schnitt über 100 Besucherinnen und Besuchern.
Das danebenliegende Projektlabor ist zum einen klassischer Workshopraum für Branchentreffen oder Weiterbildungsangebote, um die Professionalisierung zu fördern. Zum anderen gibt es die Möglichkeit, beispielsweise ein Forschungsprojekt der Hochschulen für mehrere Wochen in der Innenstadt zu verorten, um mit den Bürgerinnen und Bürgern direkt in Kontakt zu treten. Damit wollen wir innovativen, partizipativen Experimenten und Ansätzen einen Ort in hochfrequenter Lage zur Seite stellen.
Im ganzjährig ausgebuchten Pop-up-Raum werden unternehmerische Aktivitäten unterstützt und es wird das eigene Marktpotenzial zeitweise vertestet. Über die elf Teilmärkte der Kultur- und Kreativwirtschaft ruft das ganz unterschiedliche Nutzungen hervor. Es kann ein temporäres Shop-Format sein, eine Ausstellung, ein temporäres Atelier, eine Töpferwerkstatt oder auch ein Mode-Design-Studio. Letztlich werden kreative Produkte, Ideen und die Menschen dahinter für einige Wochen sichtbar und erlebbar. Die Erdgeschoss-Lage bringt die notwendige Frequenz und prägt natürlich den Schaufenstercharakter des Ortes.
Die Gastronomie fördert diese Frequenz und die Aufenthaltsqualität im Degginger. Dadurch erreichen wir auch jene Menschen, beziehungsweise die Stadtgesellschaft, die sich zum Mittagstisch, einem Kaffee oder zum Feierabend trifft.
Ist die Programmatik des Degginger letztlich durch das Temporäre charakterisiert?
Klar – aber in unserem Interesse als Wirtschaftsförderer ist vor allem auch die Verstetigung der rein temporären Nutzungskonzepte. Wagt es der Modedesigner oder die Goldschmiedin im nächsten Schritt eine Erdgeschossfläche in der Innenstadt auch längerfristig anzumieten? Und gleichzeitig können diese Nutzungsimpulse der Kreativwirtschaft in die Neuausrichtung unserer Innenstadtangebote und urbanen Räume einfließen. Denn bundesweit werden Einzelhandelsnutzungen diskutiert, die den Manufakturgedanken und die Nachfrage nach lokal hergestellten Gütern mit dem Wunsch nach nachhaltigen Materialien verknüpfen. In der Kultur- und Kreativwirtschaft finden wir diese Nutzungen – die Ressource Raum muss diesen Angeboten langfristig aber auch finanziell gerecht werden.
In den vier Stockwerken des Degginger sind außerdem einzelne Büros, Coworking-Flächen und ein Inkubator für Gründerinnen und Gründer untergebracht. Wir versuchen, Soloselbstständige aus der Kultur- und Kreativwirtschaft zu vernetzen und ihnen mit Coaching-Angeboten den Einstieg in die Selbstständigkeit zu erleichtern. Orte wie das Degginger sind Räume des Wirtschaftens, also Arbeitsorte, Verkaufsflächen, Proberäume oder Produktionsstätten und fördern als solche natürlich die wirtschaftliche Dynamik der Zukunftsbranche. Sie sind notwendige Infrastruktur. Das ist entscheidend, denn nur ein erfolgreiches Geschäftsmodell ermöglicht es den Menschen dahinter, das Potenzial ihrer Leidenschaft und Kreativität voll auszuschöpfen. Dabei ist Erfolg in der Kreativwirtschaft breiter gefasst: Betriebswirtschaftliche Kennzahlen werden durch Erfolgsparameter des Gemeinwohls, der Nachhaltigkeit oder durch die Motivation der Selbstverwirklichung ergänzt.
Gibt es in Regensburg noch weitere Initiativen und Projekte, die ihr aktuell umsetzt?
Ja, wir entwickeln ein Kreativareal am Hafen im Stadtosten – unser derzeit größtes Projekt. Das Areal verfügt über eine Fläche von rund 18.000 Quadratmetern und soll Platz für Arbeitsräume, Labore, Werkstätten und Studios bieten. Aber auch kleinere Raumprojekte sind auf unserer Agenda, wie beispielsweise das Projekt Lückenknüller in Kooperation mit dem Kulturamt. Hier sprechen wir mit Eigentümerinnen und Eigentümern darüber, ob kreative und kulturelle Zwischennutzungen möglich sind. Mit unserem Projekt „Labor der kreativen Köpfe“ betrachten wir jene Orte, die den öffentlichen Raum prägen. Dabei beziehen wir die Kultur- und Kreativwirtschaft als Dienstleisterin mit ein, um die Qualität dieser Orte zu verbessern, öffentliche Plätze beispielsweise attraktiver zu gestalten. Die drei Aspekte der räumlichen Entwicklung – die Atmosphäre, die Infrastruktur und die Community – werden von Seiten der Kreativen gemeinsam mit den Expertinnen und Experten aus der Verwaltung beleuchtet und in einem kokreativen Arbeitsprozess genehmigungsfähige Lösungen erarbeitet.
Welche Räume werden von den Kultur- und Kreativschaffenden in Regensburg denn am meisten nachgefragt?
Bezahlbare Arbeitsräume. Unsere größte Herausforderung ist es, den kreativen Nachwuchs in unserer Stadt zu halten. Viele der Absolventinnen und Absolventen unserer Hochschulen oder Menschen, die hier eine Ausbildung absolvieren, benötigen niedrigschwellige Räume, um sich hier niederzulassen und zu gründen. Leider ziehen viele aufgrund des begrenzten Raumangebots aus Regensburg weg, häufig in Richtung Chemnitz, Leipzig oder – je nach Fachbereich – auch nach Hamburg und andere Metropolen. Dieses Problem betrifft nicht nur unsere Stadt, sondern ist bayernweit in den Kommunen spürbar. Deshalb engagiert sich die Stadt Regensburg, wie auch z. B. München, Nürnberg, Augsburg und Ingolstadt, aktiv in diesem Bereich. Eine Aufgabe, die für uns weichenstellend auf dem Weg zum Kreativstandort Regensburg ist.
Wie würdest du die Bedeutung „neuer Räume“ – vor allem für die regionale Kultur- und Kreativwirtschaft und die Kommune selbst, zusammenfassen?
Es geht ganz grundsätzlich um Potenziale und um Möglichkeiten. Neue Räume laden Menschen ein, wollen belebt und entwickelt werden – ob im Erdgeschoss eines Gebäudes oder eine ganze Immobilie; ob im öffentlichen Raum oder im Sinne städtebaulicher Zusammenhänge wie im Quartier. Raum eröffnet Möglichkeiten, für beide Seiten. Übrigens wie die kreativen Menschen selbst auch. Die Kreativwirtschaft hat das Talent, Potenziale auszuloten und selbst bei restriktivsten Rahmenbedingungen sinnvolle Möglichkeiten zu erarbeiten. Die Problemlösungskompetenz empfinde ich als beeindruckend.
Inwieweit sind die Fähigkeiten und Talente der Kultur- und Kreativschaffenden, die du gerade erwähnt hast, relevant im Kontext „neue Räume“?
Weil Kreative kontextualisieren, dadurch mit komplexen Themen umgehen, neue Ideen entwickeln und in Prototypen übersetzen können. Gerade bei Raumfragen ist diese Kompetenz essenziell. Wir wissen heute, dass wir unsere Innenstädte neu denken müssen, dass wir uns in der Nachverdichtung keine unbelebten Quartiere ohne Identität mehr leisten können. Diese Herausforderungen sind komplex, der Kontext von Räumen – die Menschen, die Nutzungen, die Infrastruktur und die Historie – sind bei der Projektentwicklung einzubeziehen. Um auf den Punkt zu kommen: kreativen Menschen kommt bei der Raumfrage eine Doppelrolle zu. Die Kreativwirtschaft kann Räume einerseits bespielen, als Wirtschaftsbranche über ihre Wertschöpfungskette – beispielsweise mit hochfrequenten Nutzungen wie in der Innenstadt, mit identitätsstiftenden Treffpunkten im Quartier, mit Büro- und Arbeitsflächen oder zur Forschung und Entwicklung. Damit übernehmen diese Räume für die Branche selbst die Funktion einer Entwicklungs- und Wachstumsumgebung.
Andererseits kann die Kreativwirtschaft Räume gestalten. In der Stadtentwicklung und Stadtplanung sind kreative Menschen aus der Architektur, dem Urban Design, auch der Soziologie oder der Kunst deshalb gefragt. Sie sind essenzielle Dienstleisterinnen und Dienstleister für die Vision der Stadt von morgen. Vor allem auch, weil sie es wagen, den Status Quo für den Blick in die Zukunft zu hinterfragen. Kombiniert man also beides, Räume und Kreative, kann das eine Straße, ein Quartier oder eine Stadt nachhaltig verändern. Die Bedeutung von „neuen Räumen“ für die regionale Kultur- und Kreativwirtschaft sowie für die Kommune selbst ist insofern vielschichtig und definiert sich über die Potenziale. Meines Erachtens sind dabei drei ineinandergreifende Aspekte, wie zuvor angedeutet prägend für die Bedeutung die ein Raum entfalten kann: Die Atmosphäre, die Infrastruktur und die Community in und um neue Räume.
Eines ist aber klar: Neuer Raum hat in unserem Bundesland einen hohen Wert und will klug gedacht und – nach dem Ideal der Neuen Leipzig Charta1 – gemeinsam entwickelt werden.
Wie wird man dieser Vielschichtigkeit der Potenziale der Kultur- und Kreativwirtschaft, wie hier am Beispiel der Raumfrage deutlich geworden ist, gerecht? Und wie vermittelt man sie?
Die Vielschichtigkeit der Kreativwirtschaft birgt für die Fördererseite durchaus Herausforderungen. Aus der Perspektive der klassischen Wirtschaftsförderung geht es um Ansiedelungen, Arbeitsplätze und Gewerbesteuer – ganz klar unser Auftrag. Wir dürfen nicht vergessen: Wir sprechen von einer äußerst umsatzstarken Branche. Gleichzeitig wollen und müssen wir als Kommune und im Interesse unserer Stadt von der Bandbreite an Wirksamkeit der Kreativwirtschaft profitieren. Dafür muss Kreativwirtschaftsförderung selbst ein hoch diverses Förderverständnis und -angebot entwickeln und natürlich politisch erklären und legitimieren. Der Weg dorthin, davon bin ich überzeugt, ist nur in enger strategischer Abstimmung mit der lokalen Branche selbst möglich.
In Regensburg ist der Kommune bewusst, dass die Kultur- und Kreativwirtschaft zusätzlich zu ihrer Wirtschaftskraft ein essenzieller Baustein ist, um den Herausforderungen und Krisen unserer Zeit zu begegnen. Denn abseits der Produkte, Innovationen und Diskurse der Branche, sind es die Arbeitsweise und das Mindset, von denen wir lernen können. Das Ideal integrierter Stadtentwicklung beispielsweise – beschrieben in der Neuen Leipzig Charta – ist ein Abbild des Arbeits- und Werteverständnisses der Kreativwirtschaft: partizipativ, koproduktiv und gerecht. Auch aus diesem Grund konkurrieren Städte weltweit um die kreativen Köpfe. Sind sie vor Ort, können sie Partnerinnen und Partner der digitalen und grünen Transformation werden. Und dafür braucht es „neue Räume“.
Welche strategischen Ansätze können Kommunen verfolgen, um die Schaffung und Nutzung neuer Räume effektiv zu fördern und zu lenken?
Da stoßen wir an dieser Stelle auf das Henne-Ei-Problem. Kreative haben das Talent, lebendige Orte der Inspiration und Identifikation zu schaffen und zu bespielen. Orte, die wiederum kreative Menschen anziehen und Raum zur Entfaltung geben. Jedoch benötigt es dafür eine aktive, lokale Community. Hier stellt sich doch die Frage: Was kommt zuerst? Die Kreativen, die dann neue Räume schaffen? Oder die Räume, die dann kreative Menschen anziehen? In Regensburg streben wir danach, ein Kreativstandort zu werden. Das ist ein schrittweiser Prozess, bei dem wir einerseits sehr früh mit der Ressource Raum agierten und parallel auf eine engagierte, wachsende Community zählen konnten – ein Glücksfall, der durch einen starken politischen Willen unterstützt wurde. Dabei geht es maßgeblich um Vertrauen – zwischen der oft abstrakt wirkenden Ebene der Kommune und den kreativen Menschen, die für die Mitgestaltung ihrer Stadt brennen. Inzwischen hat sich um verschiedene Raumprojekte eine starke Community gebildet – und wir sind auf dem richtigen Weg.
Welche Empfehlungen hast du für Kommunen, in denen noch keine aktive kreative Community vorhanden ist, um den Aufbau einer solchen Gemeinschaft zu fördern und zu unterstützen?
Genau hinsehen. Manchmal müssen wir nur die Augen öffnen, die Stadt beobachten und die Orte identifizieren, an denen diese Community bereits aktiv ist. Es wäre nicht ungewöhnlich, wenn eine kleine, aktive Community vor Ort ist, aber die Berührungspunkte zur Kommune bisher ausblieben. Identifiziert man solche Strukturen, ist es wichtig, diese Entwicklungen zu unterstützen, anstatt direkt einzugreifen. Dafür muss man darüber ins Gespräch kommen. Die Kommune muss also keine derart aktive Rolle in der Neuschaffung kreativer Räume einnehmen wie in Regensburg – ebenfalls erfolgsversprechend ist es, eine organische Bewegung zu fördern und sich kooperativ einzubringen. Das erfordert ein gewisses Maß an Sensibilität und Verständnis, da die Branche ihre eigenen Dynamiken hat. Ingolstadt erprobt diesen Ansatz gerade mit dem Elfi und das Kulturamt in Regensburg hat einen beeindruckenden Kooperationsansatz mit der Kulturszene im sogenannten M26 realisiert. Hier werden kommunale Räume sozusagen „zur Verfügung gestellt“ – im Vergleich dazu wird das Degginger kommunal betrieben.
Im Zusammenspiel der Projektpartnerinnen und -partner entwickelt sich die Programmatik des Raums, das Angebot. Meist entsteht eine Art Verhandlungsprozess zwischen der Community und dem Raumangebot. Über die Erprobung von Formaten und Anlässen festigt sich dann eine Zielgruppe an Rezipientinnen und Rezipienten und weiteren Kooperationspartnerinnen und -partnern. Die Rolle der Kommune kann dabei, nach meiner Erfahrung, sehr variieren.
Welchen Herausforderungen stehen Kommunen bei der Schaffung und Nutzung neuer Räume für die Kultur- und Kreativwirtschaft gegenüber?
Für kreative Menschen ist „Raum“ von immenser Bedeutung. Diese Bedeutsamkeit ist vielschichtig. Der Arbeitsraum und das Umfeld sollen inspirieren, ein Spannungsfeld bieten, den Diskurs anregen. Die Kultur- und Kreativschaffenden haben dabei oft eine klare Vision davon, wie die Räume gestaltet und genutzt werden könnten, und sie bringen wertvolle Ideen und Know-how mit ein. Dabei sind die Vorstellungen mit einem tiefgreifenden Werteverständnis verknüpft – ausgerichtet an den Dimensionen Gemeinwohl, Nachhaltigkeit und der Art und Weise von Zusammenarbeit. Beispielsweise sollen die verwendeten Materialien des Umbaus im Sinne der Kreislaufwirtschaft eingesetzt werden. Auch die passende Architektur spielt hierbei natürlich eine entscheidende Rolle. Diese Entwicklung entspricht dem Zeitgeist: Umbaukultur statt Neubauten. Im Idealfall sogar Umnutzung statt Umbau.
Um auf die Frage zu antworten: Konsequente und transparente Partizipation. Unser Anspruch, die Branche nicht nur mitzunehmen, sondern wirklich zur Zusammenarbeit einzuladen, fordert uns auf allen Ebenen. Es bedeutet letztlich, der vielschichtigen Bedeutsamkeit, die Räume für die kreativen Menschen haben, gerecht werden zu wollen. Allein die Kommunikation, die für derartige Prozesse notwendig ist, ist eine Herausforderung. Die Voraussetzung: Einen gemeinsamen Konsens finden und beidseitig offen für Kompromisse sein.
Bei der räumlichen Entwicklung, insbesondere in unserem Hafenareal in Regensburg mit denkmalgeschützten Gebäuden, ist es insofern wichtig, die Werte und Vorstellungen der Kultur- und Kreativwirtschaft erstmal zu kennen und zu verstehen. Ein erster Schritt im Beteiligungsprozess des Kreativareals – noch während der Machbarkeitsprüfung – war es deshalb, eine Charta zu definieren. In zehn Punkten wurden im Sommer 2022 das Miteinander und der Charakter des Ortes durch die Kreativen beschrieben – dabei auch der Umgang mit dem baulichen Erbe, dem Denkmal. Mittels minimaler, baulicher Interventionen sollen beispielsweise Austauschflächen und Räume zur Förderung von Co-Creation, aber auch Rückzugsmöglichkeiten entstehen. Diese Punkte berücksichtigen wir sorgfältig und behalten sie im Blick.
Du sagst, ihr kooperiert mit den Kulturund Kreativschaffenden selbst, um neue Räume zu erschließen und zu gestalten. Gibt es noch andere Institutionen oder Akteurinnen und Akteure, mit denen ihr kooperiert?
Absolut, an dieser Schnittstelle zwischen Verwaltung, Hochschulen, Kreativwirtschaft, klassischer Wirtschaft, Gesellschaft und Vereinswesen versuchen wir, Menschen aus verschiedenen Bereichen zusammenzubringen. Cross Innovation ist dabei ein wichtiges Stichwort. Es geht um Kooperationen und darum, vernetzt an Projekten zu arbeiten. Das Kreativareal darf nicht isoliert betrachtet werden, sondern ist Teil eines Quartiers, eines Stadtteils und der Stadt als Ganzes. Daher ist es unser Bestreben, alle beteiligten Interessengruppen in diese Prozesse einzubeziehen.
Du hast bereits erwähnt, dass ihr Beteiligungsprozesse angestoßen habt. Gibt es zum Abschluss noch eine weitere Rezeptur für „neue Räume“?
Eine Basis zur Zusammenarbeit mit der Kultur- und Kreativwirtschaft aufbauen. Dafür ganz wichtig: unkonventionelle Ansätze zulassen, Experimente ermöglichen und das Scheitern akzeptieren. Und Offenheit und Transparenz – letztendlich die Grundlage einer jeden Kooperation. Eine solche Einladung zum Miteinander darf seitens der Kommune ausgesprochen werden und wird auf Anklang treffen. Meiner Meinung nach liegt der Handlungsdruck durchaus bei den Kommunalverwaltungen. Wir benötigen die kreativen Menschen – nicht andersrum. Die kreativen Köpfe ziehen letztlich weiter, wenn sie sich an einem Standort nicht willkommen oder in ihrer Kreativität nicht gefördert fühlen. Das sind klassische Dynamiken des Fachkräftemangels, wie in anderen Branchen auch. Und Mut und Wille – insbesondere in Bayern, wo Raum einen hohen wirtschaftlichen Wert hat. Mut und Wille, Visionen zu entwickeln und sich auf den Weg zu machen. Visionen treiben uns an und geben eine Perspektive für die Zukunft – und sie werden gehört. Das war selten so wichtig wie in der heutigen Zeit.
In Regensburg haben wir die Besonderheit: Die Kultur- und Kreativwirtschaft hat einen eigenen Lobbyverein gegründet, das Forum Kreativwirtschaft. Vergleichbar mit dem Bayerischen Landesverband der Kultur- und Kreativwirtschaft BLVKK auf Landesebene. Das Forum teilt unsere Vision nicht nur – wir haben sie gemeinsam erarbeitet. Das Forum ist unser Partner auf dem Weg zum Kreativstandort. Der Verein war auch von Anfang an in die Entwicklung des Degginger und auch des Kreativareals involviert. Das ist natürlich von entscheidender Bedeutung für unsere Arbeit. Letztlich haben wir eine Vision von einem kreativen und toleranten Regensburg, und die Kultur- und Kreativwirtschaft ist ein wichtiger Baustein auf dem Weg dorthin. Die Gestaltung von „neuen Räumen“; von Kreativorten, ist ein Schlüsselelement davon – davon bin ich überzeugt.

Bildnachweis: Dominik Hupf

Bildnachweis: Dominik Hupf

Bildnachweis: Stadt Regensburg

Bildnachweis: Stadt Regensburg

Bildnachweis: Stadt Regensburg
- Hackenberg, Katharina/Vogel, Friederike: Neue Leipzig-Charta, Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) (Hg.), 2021, https://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/veroeffentlichungen/sonderveroeffentlichungen/2021/neue-leipzig-charta-pocket-dl.pdf [zuletzt aufgerufen: 15.05.2024]. ↩︎