Plötzlich reden alle von Transformation. Suchen Transformationsmanagerinnen und -manager, die ihre Branchen oder Unternehmen digital, sozial oder ökologisch zukunftsfähig ausrichten. Die wissen, wie es geht. Die den Prozess souverän begleiten. Und die allein durch ihre Existenz darüber hinwegsehen lassen, dass man schon ziemlich spät dran ist. Denn der Zug ist eigentlich schon abgefahren. Aber glücklicherweise hat die Bahn Verspätung. Mit den richtigen Expertinnen und Experten an Bord ließe sich das Ziel also noch erreichen.

Dabei ist das Thema Transformation für die Kultur- und Kreativwirtschaft alles andere als neu: Veränderung gehört hier zum kreativen Lebenszyklus dazu. Immer wieder hinterfragen, analysieren, bewerten, verwerfen und neu ansetzen – das sind typische Vorgehensweisen im schöpferischen, kreativen Prozess, und zwar in allen Teilmärkte dieser heterogenen Gruppe. Transformation ist hier eine intrinsische Motivation, die Branche verfügt über eine überdurchschnittlich hohe Expertise.

Carola Kupfer | Bayerischer Landesverband der Kultur- und Kreativwirtschaft BLVKK e. V.

Carola Kupfer ist im Bayerischen Landesverband der Kultur- und Kreativwirtschaft BLVKK e. V. Sie arbeitet als freiberufliche Autorin, Texterin und Ghostwriterin. Sie ist Vorsitzende des Verbands deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller Regionalgruppe Ostbayern, hat das Regensburger Netzwerk Forum Kreativwirtschaft e. V. mitgegründet und ist amtierende Präsidentin des Bayerischen Landesverbands der Kultur- und Kreativwirtschaft BLVKK. Dort engagiert sie sich für (wirtschafts-)politische Themen der Kultur- und Kreativwirtschaft und macht Lobbyarbeit. Ihr deutschlandweites Bildungsprojekt „buch-macht-schule.de“ hat bereits zahlreiche Preise gewonnen und wird als „Good Practice“ von der Landesvereinigung für Kulturelle Bildung in Bayern empfohlen.

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Bildnachweis: Nike Kupfer

Gesucht ist eine Art Transformationsmanifest, das ausgehend von der Kultur- und Kreativwirtschaft eine Strahlkraft nach außen in die anderen Industriebranchen besitzt und gleichzeitig die eigenen Belange vollumfänglich berücksichtigt. Denn es ist sinnvoll, die bereits vorhandenen intrinsisch bedingten Kompetenzen zu nutzen, und daraus ein neues unternehmerisches Konzept entstehen zu lassen.

Carola Kupfer

Eine Chance für die Branche

Und genau das ist eine große Chance für die Kultur- und Kreativwirtschaft (KKW): Denn das Handwerkszeug für Transformationsprozesse ist vorhanden. Was fehlt, sind allgemein anerkannte Berufsbilder, die diese Kompetenzträgerschaften beschreiben – und die gesellschaftliche und politische Anerkennung dieser Kompetenz. Begriffe wie „Transformationsmanagement“ sind Hilfskonstruktionen, die verdeutlichen, dass hier noch kein verbindliches Vokabular existiert, um die dahinterstehenden Tätigkeiten genau zu fassen. Zwar reden alle von einer erforderlichen digitalen, sozialen oder ökologischen Transformation, meinen damit Nachhaltigkeit und zukunftsfähige gesellschaftliche Konzepte. Sie erkennen gemeinsame globale Interessen durch den Klimawandel, Krieg, Migration und einen massiven Fachkräftemangel. Doch das „Wie“ und die Frage, wer das bemisst, sind offen und stark umkämpft.

Es geht also um einen ziemlich großen gesellschaftlichen Wurf. Gesucht ist eine Art Transformationsmanifest, das ausgehend von der Kultur- und Kreativwirtschaft eine Strahlkraft nach außen in die anderen Industriebranchen besitzt und gleichzeitig die eigenen Belange vollumfänglich berücksichtigt. Denn es ist sinnvoll, die bereits vorhandenen intrinsisch bedingten Kompetenzen zu nutzen, und daraus ein neues unternehmerisches Konzept entstehen zu lassen.

Wir reden also hier von drei Aspekten, die in diesem Kontext auf das Thema einzahlen:
1. die gezielte Transformation der Kultur- und Kreativwirtschaft selbst à „Wir denken und handeln klimagerecht, sozial und ökonomisch und begegnen so auch dem Fachkräftemangel.“
2. das Geschäftsmodell Transformation als neues unternehmerisches Konzept der Kultur- und Kreativwirtschaft à „Wir haben die Kompetenz – ihr könnt davon profitieren.“
3. die (gesellschafts-)politischen Konsequenzen, die sich daraus zwangsläufig ableiten – Aufbrechen klassischer Berufsbilder, Qualifizierungsbedarfe, veränderte Arbeitsplatzlogik, neue Förderkulissen, Umdenken bei sozialer Absicherung.

Transformation innerhalb der Branche

Der erste Aspekt klingt unkompliziert – geht es doch darum, die Transformationskompetenz der KKW in eigene Aktivitäten zu einer klimagerechten, sozialen und digitalen Gesellschaft einzubringen. Ganz so einfach ist es jedoch nicht. Denn wer führt und bewertet diesen Prozess? Objektivität entsteht durch die Perspektive von außen, mit verbindlichen Richtlinien, die Vergleichbarkeit und Skalierbarkeit erzeugen.

Gleichzeitig geht es stets um individuelle Lösungen. Gesucht sind also Expertinnen und Experten, die hier neutral beratend zur Seite stehen, sich gut in der KKW und ihren speziellen Belangen auskennen, ohne dabei die erforderliche berufliche Distanz zu verlieren. Das ist definitiv ein neues Berufsbild!

Kein Wunder also, dass Zertifizierungsangebote zu „Transformationsmanagerinnen und -manager“ überall wie Pilze aus dem Boden schießen. Das Problem: Es fehlt bislang ein einheitliches Anforderungs- und Qualitätsmanagement, das für alle ausbildenden Institutionen und Netzwerke verbindliche Kompetenz- und Leistungsnachweise einfordert. Um Missverständnisse zu vermeiden: Es geht nicht darum, die bereits bestehenden, sehr guten Weiterbildungsangebote zu diskreditieren – im Gegenteil. Erforderlich ist lediglich der nächste Schritt hin zu einer allgemeinverständlichen und -gültigen Berufsbildbeschreibung mit nachweisbaren Ausbildungsinhalten und Qualitätsstandards, um auch den letzten Zweifelnden klarzumachen, dass hier ein seriöser Berufszweig entsteht, der sowohl für Freischaffende, aber auch in klassischen Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmer-, Arbeitgeberinnen- und Arbeitgeber-Verhältnissen in Sachen Leistungserwartung und Bezahlung transparent ist.

Wer definiert Qualitätsstandards?

Mit der Zertifizierung zu ausgebildeten Transformationsmanagerinnen und -managern brechen übrigens auch innerhalb der KKW klassische Berufsbilder auf – und es entstehen neue Ansätze. Ein Design, das von Anfang an nachhaltig gedacht wird, Kulturveranstaltungen mit gleichzeitigem Ansporn den CO2-Fußabdruck zu reduzieren, Architektur mit sozialer und ökologischer Verantwortung, interaktive und digitale Produkte ohne logistische Umweltbelastungen, Bildungsangebote via Gaming-Strukturen oder Umweltkonzepte für Werbekampagnen – all das wird bereits gelebt. Nun muss es darum gehen, diese Befähigungen auch qualifizierbar und damit wertiger zu machen. Wer Fachkräfte langfristig halten möchte, wird in Zukunft an der Aus- und Weiterbildung seines Personals in Richtung Transformation nicht vorbeikommen. Am Ende reicht die Urkunde allein allerdings nicht, das zusätzliche Engagement, der gesellschaftliche Nutzen und wirtschaftliche Mehrwerte müssen sich auch in einer allgemeingültigen und transparenten Entlohnung niederschlagen.

Ein neues Geschäftsmodell

Genau dieses letztgenannte Detail ist auch eine Grundvoraussetzung für den zweiten Aspekt: ein Geschäftsmodell „Transformation“, das die Kultur- und Kreativwirtschaft als Angebot für alle anderen Industrie-, Produktions-, Dienstleistungs- und Handelsbranchen entwickelt. Hier fehlt vor allem noch entsprechendes Vokabular, um Kompetenz und Leistung der qualifizierten Transformationsexpertinnen und -manager nachvollziehbar und auf den Punkt zu beschreiben. Welche Fachexpertise passt am besten zu welcher Branche oder welchem Unternehmen? Gibt es inhaltliche Schwerpunkte in der Ausbildung, die relevant sein könnten? Muss hier nicht zusätzlich noch eine Transferleistung erbracht werden, um das Aufeinandertreffen von – lapidar gesagt – KKW und Technik in einem Transformationsprozess überhaupt erst zu ermöglichen und zielführend zu gestalten? Nur: Wer kann/soll das initiieren und durchführen? Und wer formuliert das Angebot?

Neue politische Rahmenbedingungen!

Womit wir beim dritten Aspekt angelangt wären, den politischen Konsequenzen. Ein neues Berufsbild benötigt nicht nur ein gesellschaftliches Umfeld, das Transformation kreativ, offen und langfristig gestalten will und diese Herausforderungen als positive Entwicklung begreift. Es braucht auch offizielle Rahmenbedingungen, die erfüllt werden müssen, um zugelassen, zertifiziert und förderbar zu werden. Insbesondere letzteres ist für Unternehmen, Verbände und Einrichtungen aller Branchen extrem wichtig. Denn die herkömmlichen Förderkulissen bilden das Themenfeld „Transformation“ nur unzureichend ab – sowohl auf Expertinnen und Expertenseite, als auch bei den Auftragsvergebenden. Was müssen Transformationsmanagerinnen und -manager nachweisen können, um im Rahmen ihrer Tätigkeit förderbar zu sein? Inwieweit funktionieren hier überhaupt noch klassische Berufsbilder als Blaupause? Worauf müssen Unternehmen achten, wenn sie Fachpersonal für einen digitalen, ökologischen oder sozialen Transformationsprozess suchen? Was ist überhaupt förderfähig, da gesellschaftlich relevant und im Sinne des Gesetzgebers?

Herausforderung soziale Absicherung

Hausaufgaben muss der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang auch bei der Sozialpolitik machen. Denn bislang leisten sich nur wenige Unternehmen wie auch immer ausgerichtete Transformationsmanagerinnen und -manager in Festanstellung und Vollzeit. Ein Grund dafür liegt logischerweise im Berufsbild selbst, bei dem es um einen Veränderungsprozess geht, der an einem Punkt startet und im Rahmen einer Zielvereinbarung irgendwann auch endet. Folglich sind die meisten der derzeit aktiven Berufstätigen in diesem Bereich als Soloselbstständige oder Kleinstunternehmerinnen und -unternehmer organisiert – mit den entsprechenden sozialen Risiken in wirtschaftlich schwierigeren Zeiten.

Kooperation mit KI?

Mit KI kommt nun ein neuer Player ins Spiel – Fluch und Segen zugleich. Denn durch KI können viele Prozesse standardisiert und beschleunigt werden, auch im Bereich der Transformation. Das macht bei wiederkehrenden und allgemeingültigen Prozessen wahrscheinlich Sinn. Gleichzeitig ist die Branche verständlicherweise in großer Sorge: Werden Arbeitsplätze obsolet? Fallen möglicherweise ganze Berufsbilder weg, da Systeme wie ChatGPT und Co. die Arbeit in Zukunft übernehmen? Was ist mit Urheberrechten auf den schöpferischen Akt? Mit Individualität?

Unabhängig davon, wie gesetzliche Regeln im Umgang mit KI letztendlich aussehen werden, findet hier über alle Gesellschaftsschichten und Branchen ein digitaler Transformationsprozess statt, der nicht aufzuhalten ist. Nun kommt es darauf an, mit diesem Wandel umzugehen. Fakt ist: Es steht auch für die Kultur- und Kreativwirtschaft ein großer Wandel ins Haus. Umso wichtiger wird es sein, sich auf die eigenen Kernkompetenzen zu fokussieren, um hier nicht als Verlierer das Feld zu verlassen: die Kreativität. KI kann nachahmen, aber nicht im menschlichen Sinne kreativ sein.

Es geht also auch um neue Lösungen und neue Berufsbilder innerhalb der Kultur- und Kreativwirtschaft, die mit ihrer Expertise andere dabei unterstützen, diesen digitalen Transformationsprozess proaktiv zu durchlaufen und zu gestalten. Angst, Ablehnung und Wut auf unaufhaltsame Veränderung helfen dabei nicht weiter. Am Ende werden diejenigen profitieren, die schon jetzt versuchen, ihre Expertise im Umgang mit Veränderung für nachhaltige digitale Strategien in ihren Unternehmen zu nutzen. Und genau dadurch könnte ein besonders erfolgreiches neues Berufsbild mit spannenden Prognosen für die Kultur- und Kreativwirtschaft entstehen.